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wsd:didaktisierung:lebensweltbezug

Didaktische Hinweise zum Lebensweltbezug

Zitiervorschlag: Riess, A., Gitschier, L. & Brandstetter, R. (2021). „Didaktische Hinweise zum Lebensweltbezug.“ Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:didaktisierung:lebensweltbezug, CC BY-SA 4.0

Entlang bestehender Herausforderungen für junge Menschen in bestimmten Lebensfeldern und Lebenslagen werden zielgruppenspezifische Bildungsinhalte insbesondere im Spiegel der kultursoziologisch fundierten Didaktik nach G.G. Hiller (2007) ausgewiesen. Diese werden in der Folge ergänzt durche eine spezifizierte Sammlung didaktischer Impulse für den Unterricht mit Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung nach W. Bleher (2017).


Begründung

Es wird angenommen, dass belastende Lebenslagen dazu führen, dass Schüler:innen „wichtigere, für sie fundamentalere Lebensprobleme haben, als die Lernprobleme, mit denen sie sich in der Schule befassen müssen“ (Westphal 1990, 12). Bei Nichtbeachtung dieser Lebensprobleme kommt es zu Lernschwierigkeiten sowie Verhaltensauffälligkeiten (vgl. ebd.). An diesen beiden Annahmen knüpft eine kultursoziologisch fundierte zielgruppenspezifische Didaktik an, indem sie sich an den „harten Fakten vielfach belasteter Lebenslagen, die das Aufwachsen und die Existenz von Menschen entscheidend prägen“ (Hiller., 2007, 43), orientiert. Das Ziel ist es, die Kinder und Jugendlichen zu befähigen, die lebenslagenbedingten Herausforderungen sowohl subjektiv befriedigend als auch sozial verträglich zu bewältigen. Um dies zu erreichen, ist es notwendig die Inhalte der schulischen Bildung unmittelbar auf die spezifischen Lebenslagen der Schüler:innen mit ihren virulenten, alltäglichen Problemstellungen auszurichten. Durch die Behandlung anstehender Alltagsproblematiken im Unterricht kann auf die An- und Überforderungen in der Alltagsgestaltung reagiert werden.


Definition

„Eine kultursoziologisch fundierte Didaktik entwickelt und überformt Bildungsprogramme sowie Lehr/ Lernarrangements mit dem Ziel, die bereits vorhanden Ressourcen von Lernenden bewusster als bislang wahrzunehmen, zu aktivieren, deren Konvertierbarkeit zu erleichtern und weitere zu erwerben, damit Herausforderungen ihrer jeweiligen Lebenslagen, denen sie kaum entkommen, subjektiv befriedigend und sozial verträglich standhalten können.“ (Hiller 2007) Konkretion/ Bedeutung für den Unterricht: Eine kultursoziologisch fundierte Didaktik überprüft sämtliche Bildungsinhalte, ob diese für den Lernenden in den jeweiligen Lebenssituationen relevant sind. Im Anschluss gilt es die Passung des Bildungsangebots mit Blick auf die Lebensweltbedeutsamkeit der Lernenden zu durchleuchten. So kann es sinnvoll sein, Selbst- und Wertverständnis oder Legalität eher mit einem Film zu bearbeiten und nicht über Literatur. Zusammengefasst gilt es

  • die Relevanz und Anpassung von Themen zu prüfen.
  • die Beachtung und Nutzung der jeweiligen Lebenslagen zu prüfen
  • Trainingsmöglichkeiten zu schaffen.

Weiterhin versucht eine kulturspezifische Didaktik den Lernenden in seinen Vorlieben und Gewohnheiten, in seinen Einstellungen oder in der Art seines Sozialverhaltens zu irritieren und damit Veränderungsprozesse anzuregen.


Bildungsinhalte

In der folgenden Tabelle werden Bildungsinhalte im Sinne einer kultursoziologisch fundierten Didaktik ausgewiesen (vgl. Hiller, 2007):

ArbeitsfelderBezüge zu den WSD-ThemenfeldernBildungsinhalte
AllgemeinAlleSchulische und unterrichtliche Vorhaben, sozialpädagogische Angebote, Einzelfallhilfe
Bildung, Ausbildung, ErwerbsarbeitTF 6: Schulischer Kontext, TF 8: weiteres soziales UmfeldBerufswünsche als Auseinandersetzung mit „inneren Themen“ begreifen; ggf. klug und phantasievoll desillusionieren
Ausbildung als wichtig, jedoch nicht alles entscheidende Phase darstellen, erfolgreich absolvierbare Ausbildungen sind mehr wert als das hartnäckige Verfolgen unerreichbarer Ziele
Verdienstmöglichkeiten in Ausbildungen und Erwerbsarbeit aufzeigen
Individuelle Praktika als Suche nach Nischen inszenieren
Fürsprache praktizieren, weil diese oft effizienter als Bewerbungstraining ist
Ausbildungs- und Erwerbskarrieren (inkl. Phasen der Nichtbeschäftigung) von Absolventen/innen beobachten und dokumentieren, als Beispiel im Unterricht einsetzen
Beziehung, Soziales NetzTF 2 Familiendynamik, TF 7 Peerbeziehungen, TF 8: weiteres soziales UmfeldGenogramm und soziales Netzwerk grafisch darstellen und erörtern
Individuell klären, wer wen als kompetent/n Fürsprecher/in und Begleitschutz hat.
Patenschaften für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene anbahnen, die innerhalb ihrer Familie und Verwandtschaft nur unzureichend Unterstützung und Beistand bekommen
Aufgabe und Funktion von Fachdiensten erklären
Über konfligierende Erwartungen an/ von Familie, Freunde und Partnerschaft verhandeln
Management von Anerkennung und Respekt bei gleichzeitiger Zugehörigkeit zu Milieus und Gruppen mit deutlich divergierenden Normen und Wertvorstellungen thematisieren
Literatur, Spiel- und Dokumentarfilmszenen, Fotoreprotagen zum Thema Beziehung, Freundschaft, Partnerschaft, Familie in erschwerten Lebenslagen erörtern
Rollenspiel zu Strategie kluger Instrumentierung eigener Interessen und Wünsche, auch der Zurückweisung von unerfüllbaren Erwartungen und Ansprüchen erarbeiten und proben
Intelligent streiten, Abbrüche verkraften lernen
FinanzenTF 1: biografische Entwicklung, TF2: Familiendynamik, TF 8: weiteres soziales UmfeldKontoauszüge, Lohnsteuerabrechnung, Rechnungen analysieren
Umgang mit Plastikgeld (S- Card, Kreditkarte, Kundenkarte) thematisieren
Elementare Verfahren zur Kontrolle von Einnahmen und Ausgaben vermitteln und einüben
Grundkenntnisse über Kosten der Lebensführung durch Sachrechnen vermitteln
Kostengünstige Beschaffungsstrategien und Finanzierungspläne erörtern
Kurz- und mittelfristige Wirtschaftspläne modellhaft entwickeln
An Fallbeispielen verschiedene Muster kooperativen Wirtschaftens durchrechnen (z.B. Wochenendvorhaben in Cliquen, Leben in der WG bzw. Familienverband)
Geld leihen und verleihen (Schuldschein/ Mahnverfahren)
Kredite und riskantes Finanzgebaren (z.B. Leasing) problematisieren
Mit Einrichtungen der Finanz- und Schuldnerberatung vertraut machen
Entschuldungsprozesse exemplarisch darstellen
Wie auskommen mit Einkommen in Phasen, in denen Mann/ Frau nur von Transferleistungen (Alg II bzw. Kindergeld und Bafög) leben muss?
Verträge für Handys, mit Sportstudios und Versicherungen als „Schuldenfalle“ darstellen
Zivilkompetenz (Selbstverwaltung)TF 8: weiteres soziales UmfeldAufbau und Verwaltung eines Ablagesystems für private Akten (Lebensordner)
Welche Dokumente bekommt man wo? Vertraut machen mit Einrichtungen und Experten in der Region oder Stadterkundungen, Fachleute als Gäste im Unterricht
Strategie und Taktik im Umgang mit Behörden und Institutionen erarbeiten und erproben
Musterbrief auf die eigene Situation adaptieren lernen
Sich einen kompetente Co- Manager beschaffen lernen
Offizielle Korrespondenz (Brief von Behörden und Institutionen erarbeiten und erproben
ZeitmanagementTF 8: weiteres soziales UmfeldEinen Wochenplan wiederholt erstellen, zur Rhythmisierung des Alltags anleiten, in Techniken der Termin- und Zeitplanung einführen
An Beispielen zeigen, wie man sich mit Eigeninitiative selbst vergnügt und in Angebote der Unterhaltung – und Freizeitindustrie klug nutzt (Sachrechnen)
GesundheitTF 5: GesundheitErkunden, was wer für seine Fitness tut (und tun könnte)
Techniken der Rekreation vermitteln, Selbststyling und dessen Effekte thematisieren
„Thrill and action“ (Grenzerfahrungen) inszenieren
Individuell zu Hobbies befähigen, die man alleine und mit anderen zusammen kostengünstig realisieren kann
Eigenes Suchtverhalten (der Lehrperson) thematisieren
An prägnanten Beispielen riskantes Verhalten und Selbstüberforderung explizieren
LegalitätTF 8: weiteres soziales UmfeldGrundkenntnisse in Straf- und Zivilrecht vermitteln, auch anhand von TV- Sendungen
Klären, wie man „Kriegsrat“ halten kann, wenn man etwas verbockt hat
Auf kostenlose Rechtsberater aufmerksam machen, Prozesskostenhilfe
Wissen, wie man sich bei der Vernehmung durch die Polizei verhält
Management der zivilrechtlichen Folgen von Straftaten exemplarisch darlegen
WohnungTF 2: Familiendynamik, TF 8: weiteres soziales UmfeldAnschaffungsstrategien (Möbel, Unterhaltungselektronik, Hausrat, Kleidung) erörtern
Grundkurs in Wohnungs- und Wäschepflege anbieten
Über lokale Mietkosten und Mietnebenkosten informieren
Grundkenntnisse in Selbstversorgung vermitteln (Selbstversorgungstage)
Sich klug mit prekären Wohnverhältnissen arrangieren lernen
Selbst- und WeltverständnisTF 1: biografische Entwicklung, TF 2: Familiendynamik TF7: Peerbeziehungen, TF 8: weiteres soziales UmfeldVermittlung von Orientierungswissen bezüglich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, insbesondere Auswirkungen der Globalisierung auf Jugendliche und junge Erwachsene in erschwerten Lebenslagen exemplarisch darlegen
Umgang mit Vorurteilen und Vorbehalten gegenüber Angehörigen von Randgruppen; Stigmatisierung im Umgang mit Betrieben, Behörden, im privaten Umfeld, in persönlichen Beziehungen und mit sich selbst
Zielgruppenspezifische Zugänge zu Selbst- und Weltdeutungskonzepten der Religionen, durch Literatur und Film exemplarisch ermöglichen

Die folgende Tabelle stellt die Konkretion/ Bedeutung für das Unterrichten von geflüchteten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zur Förderung von Alltagskompetenz dar (vgl. Bleher, 2017):

ArbeitsfelderBezüge zu den WSD-ThemenfeldernBildungsinhalte
AllgemeinAlleSchulische und unterrichtliche Vorhaben, sozialpädagogische Angebote, Einzelfallhilfe
Bildung, Ausbildung, ErwerbsarbeitTF 6: Schulischer Kontext, TF 8: weiteres soziales UmfeldNotwendig sind Hausbesuche der Lehrkräfte, um sich ein Bild zu machen und ein Verständnis für die Kinder/Jugendlichen sowie deren Familien zu entwickeln und Hilfen anzubieten (z.B. wenn die Kinder einen geregelten Schulbesuch nicht kennen und erst spät am Vormittag in die Schule kommen).
Strukturierung und Rhythmisierung des Alltags (z.B. Orientierungshilfen für den Schulalltag, Rituale)
Gestaltung der Schule als „sicherer Ort“
Allgemeinbildender Unterricht zur Stabilisierung und Neutralisierung von prekären Lebenserfahrungen
Bildungsstand bzw. Lernstand ermitteln bzw. diagnostizieren
Anknüpfungsmöglichkeiten an die bisherige Schullaufbahn/Schullaufbahnberatung (Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Bildungssysteme im Herkunfts- und Zielland)
Bildungswünsche aufarbeiten, realistische Zukunftspläne entwickeln (Biografiearbeit, Lebensplanung) und konkrete Schritte/Maßnahmen ableiten
Gestalteter Einstieg in die Schule und das damit verbundene soziale Netzwerk (z.B. Patenschaften durch Kinder des Ziellandes)
Sprachkurse und Sprachförderung (Deutsch als Zweitsprache, Angebote im muttersprachlichen Unterricht, Sprachenvielfalt als Herausforderung und Chance)
Internationale Vorbereitungsklassen an allen Schularten
Vermeidung einer Sonderbeschulung in einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) auf Grund von Sprachproblemen (trotz guter Bildungsniveaus)
Schulische Hausaufgabenbetreuung/Hausaufgabenhilfe
Zusätzliche Lernmöglichkeiten (formale und nonformale Bildung) an der Schule schaffen
Handlungsorientierte und körperorientierte Lernangebote zur Kompensation von Sprachproblemen (z.B. Erlebnispädagogik, Kooperationsaufgaben, Spiele/Spielformen)
AG-Angebote zur Förderung spezifischer Kenntnisse und Fertigkeiten bzw. deren Fortführung (z.B. Sport, Musik, kulturelle Angebote)
Elternschule (Sprachkurse, Erziehungsfragen, Zurechtfinden in einer fremden Kultur, Normen und Werte im Zielland, kennen lernen des deutschen Schul- und Ausbildungssystems)
Interkulturelle Feste und Feiern
„Berufswünsche“ als Auseinandersetzung mit „inneren Themen“ begreifen; ggf. klug und phantasievoll desillusionieren
Ausbildung als wichtige, jedoch nicht alles entscheidende Möglichkeit des Einstiegs in die Erwerbsarbeit darstellen (erfolgreich absolvierbare Ausbildungen sind mehr wert als das hartnäckige Verfolgen unerreichbarer Ziele)
Verdienstmöglichkeiten in Ausbildung und Erwerbsarbeit aufzeigen
individuelle Praktika zur Konkretisierung von Berufswünschen/Arbeitsmöglichkeiten
Aufarbeitung von Ausbildungs- und Erwerbskarrieren anhand von Fallbeispielen
Umgang mit Phasen der Nichtbeschäftigung
Alltagsbegleitung bzw. Mentoring als Angebot
Integrationshelfer, Jugendberufshelfer
Gasthörer an Hochschulen/Universitäten
Beziehung, Soziales NetzTF 2: Familiendynamik,TF 7 Peerbeziehungen, TF 8: weiteres soziales UmfeldAnalyse der familiären Struktur mittels Genogrammen und des sozialen Netzwerks durch Netzwerkanalysen
individuell Klärung, wer als Vormund (Amtsvormund) zuständig ist und wer wen als „kompetente/n Fürsprecher/in und Begleitschutz“ hat
Patenschaften für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene anbahnen, die innerhalb ihrer Familie und Verwandtschaft nur unzureichend Unterstützung und Beistandschaft bekommen
Aufgaben und Funktionen von Fachdiensten erklären
gegensätzliche Erwartungen an/von Familie, Freunde(n) und Partnerschaften klären und ggf. Handlungsstrategien entwickeln
Management von Anerkennung und Respekt bei gleichzeitiger Zugehörigkeit zu Milieus und Gruppen thematisieren von divergierenden Normen und Wertvorstellungen der Herkunfts- und Ziellandkultur sowie erarbeiten von Strategien, um ein Leben zwischen den Welten aushaltbar zu gestalten
Literatur, Spiel- und Dokumentarfilmszenen, Fotoreportagen zum Thema Beziehungen, Freundschaft, Respekt Partnerschaft und Familie in erschwerten Lebenslagen erörtern
Rollenspiele zu Strategien kluger Instrumentierung eigener Interessen und Wünsche
Coping-Strategien bei unerfüllbaren Erwartungen, Ansprüchen, Bedürfnissen
Formen konstruktiver Konfliktbearbeitung, entwickeln einer Konfliktkultur
Erweiterung des sozialen Netzwerks
FinanzenTF 1: biografische Entwicklung, TF2: Familiendynamik, TF 8: weiteres soziales UmfeldUnübersichtliche Finanzverhältnisse klären
Strategien zur legalen Beschaffung von Haushaltsgegenständen aufzeigen
Sachrechenaufgaben mit Lebensbezug
Schaffen von Verdienstmöglichkeiten zur Verbesserung der finanziellen Situation (z.B. in Schülerfirmen, verlängerte Werkbank)
Reparatur, Wartung, Pflege von Haushaltsgegenständen zur Entlastung des persönlichen Budgets
Do it yourself-Kompetenz fördern zwecks Kosteneinsparung und Förderung der Selbstwirksamkeit und des Selbstwertgefühls (Nützlichkeitserfahrungen ermöglichen, vgl. von Hentig 2006)
Einrichtung eines Kontos bei der Bank (Kontoauszüge lesen und verstehen)
Bargeldloser Zahlungsverkehr (Kreditkarten, Kundenkarten, Überweisungen)
Rechnungen lesen und verstehen
Lohnabrechnungen lesen und verstehen
elementare Verfahren zur Kontrolle von Einnahmen und Ausgaben vermitteln und einüben (z.B. persönliches Budget)
Grundkenntnisse über Kosten der Lebensführung durch Sachrechnen vermitteln
kostengünstige Beschaffungsstrategien und Finanzierungspläne erörtern
an Fallbeispielen verschiedene Muster kooperativen Wirtschaftens durchrechnen (z.B. Wochenendvorhaben in Cliquen, Leben in einer WG bzw. im Familienverband)
Geld leihen und verleihen (Gefahren, Schuldschein, Mahnverfahren)
Kredite und riskantes Finanzgebaren (z.B. Leasing) problematisieren
mit Einrichtungen der Finanz- und Schuldnerberatung vertraut machen
Entschuldungsprozesse exemplarisch darstellen
Wie auskommen mit dem Einkommen in Phasen, in denen Mann/Frau nur von Transferleistungen (ALG II bzw. Kindergeld und Bafög) leben muss?
Verträge für Handys, mit Sportstudios und Versicherungen als „Schuldenfalle“ darstellen
FreizeitTF 6: Peerbeziehungen, TF 8: weiteres soziales UmfeldZugang zu Vereinen schaffen (z.B. Sportverein, Gesangsverein, Musikverein)
Jugendhäuser und ihre Angebote kennen lernen
Nutzen kultureller Einrichtungen und von Begegnungsstätten (z.B. Schwimmhalle, Sportanlagen, Skaterpark, Jugend-Cafe, Asyl-Cafe, Internet-Cafe, Fitness-Studio, Bibliothek, Theater, Eislaufhalle, Videothek)
Begegnungsangebote von privaten Trägern
Angebote des Jugendmigrationsdienstes Freizeitangebote von Ehrenamtlichen für Flüchtlingskinder (herauslösen für eine gewisse Zeit aus den Flüchtlingsunterkünften)
AG-Angebote in der Schule (z.B. Sport, Schulband, Do-it-yourself, Bike-Pool, Modellbau, Kunstangebote wie Malen, Zeichnen, Gestalten mit verschiedenen Materialien, Koch-AG)
Filmclips über die Lebenslage von Flüchtlingskindern/-jugendlichen erstellen
Kostengünstige Angebote gemeinsam eruieren
„Brücken bauen“ und Zugänge schaffen (z.B. durch gemeinsames Besuchen von Freizeitaktivitäten)
Gesundheit/ SexualitätTF 5: GesundheitMöglichkeiten der Gesundheitsvorsorge (z.B. regelmäßige Arztbesuche/ Vorsorgeuntersuchungen, Schutzimpfungen, gesunde Ernährung, Ernährung und Bewegung)
Gesundheitssystem (Krankenversicherung, Krankenschein/Behandlungsschein)
Erste-Hilfe-Kurse in Verbindung mit Organisationen (z.B. DRK, Johanniter, ASB) anbieten
Hausapotheke einrichten (Was gehört in die Hausapotheke?)
erkunden, was wer für seine Fitness tut (und tun könnte)
Fitness-Angebote in der näheren Umgebung vermitteln
Techniken der Rekreation aufzeigen, Selbststyling und Selbstinszenierung sowie deren Effekte thematisieren
„thrill and action“ (Herausforderungen, Grenzerfahrungen) vor allem für männliche Jugendliche inszenieren (z.B. durch körperorientierte Angebote wie Kampfsport, Erlebnispädagogik)
Suchtproblematik und -spirale im Hinblick auf die eigene Gesundheit thematisieren
an prägnanten Beispielen riskantes Verhalten und Selbstüberforderung explizieren
Umgang mit Randständigkeit, Anfeindungen, Demütigungen, Beschämungen einüben (Konfliktlösestrategien, Stufen der Gewalteskalation (vgl. Glasl 2004) vor dem Hintergrund aktueller Konflikte reflektieren)
Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit
Partnerschaft Sexualität und Verhütung
Schwangerschaft – Was nun?
Ansprechpartner für sensible Themen auswählen (Vertrauensperson/en)
Interkulturelle KommunikationTF 2: Familiendynamik, TF 6: Peerbeziehungen, TF 8: weiteres soziales UmfeldExistentielle Themen wie Essen, Versorgung, Tod und Trauer
Feste und Feiern, Rituale (z.B. bei Begrüßung und Verabschiedung)
Gastfreundschaft
Ansprechpartner für „sensible“ und lebensbedeutsame Themen
Nonverbale Kommunikation durch Mimik, Gestik, Körpersprache
Beziehungen, Macht und Respekt in Ehr-/Scham- und Schuldkulturen
Einrichtung von Patenschaften
Muttersprachlicher Unterricht als wichtige Ressource
LegalitätTF 6: Peerbeziehungen, TF 8: weiteres soziales UmfeldEinführung in eine demokratisch ausgerichtete Gesellschaft
Grundkenntnisse in Straf-, Jugendstraf- und Zivilrecht vermitteln (auch anhand von TV-Sendungen und Fallanalysen)
Rechte und Pflichten in Deutschland
Straftatbestände (z.B. Beleidigung, Gewalt, Nötigung) und Folgen bei Gesetzesüberschreitungen
Information über das Jugendschutzgesetz und die UN-Kinderrechtskonvention
Klären, mit wem man „Kriegsrat“ halten kann, wenn man etwas verbockt hat
Hinweis auf eine kostenlose Rechtsberatung sowie Prozesskostenhilfe
Verhalten gegenüber der Polizei
Management der zivilrechtlichen Folgen von Straftaten exemplarisch darlegen
MobilitätTF 8: weiteres soziales UmfeldNutzung öffentlicher Verkehrsmittel (Fahrpläne lesen und verstehen)
Das Fahrrad als Verkehrsmittel und Freizeitobjekt (Reparatur, Wartung, Pflege, Nutzung)
Erkundungen des Nahraums, unterstützt durch Helfer und Unterstützer (z.B. Stadtführungen, Ausflüge organisiert durch Mitarbeiter/innen der Aufnahmeeinrichtungen)
Selbst- und WeltverständnisTF1: biografische Entwicklung, TF 6: Peerbeziehungen, TF 7: Peerbeziehungen, TF 8: weiteres soziales UmfeldVermittlung von Orientierungswissen bezüglich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft (insbes. die Ursachen und Auswirkungen neuzeitlicher Völkerwanderungen auf Familien und ihre Kinder)
Umgang mit Vorurteilen und Vorbehalten gegenüber Angehörigen von Randgruppen (Stigmamanagement im privaten Umfeld, in Schulen, Betrieben, Behörden und öffentlichen Einrichtungen)
zielgruppenspezifische Zugänge zu Selbst- und Weltdeutungskonzepten der Religionen, der Philosophie, der Sozial- und Kulturwissenschaften unter Einbezug der Herkunftskultur
Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Kulturen
ZeitmanagementTF 2: Familiendynamik, TF 8: weiteres soziales Umfeldaufsuchende Sozialarbeit und konkrete Begleitung/Alltagsbegleitung als Angebot
„Fernbetreuung“ via Handy (Anruf als Impuls)
einen „Wochenplan“ erstellen und zur Rhythmisierung des Alltags anleiten
in Techniken der Termin- und Zeitplanung einführen (Kalender führen, Terminplaner des Smartphones)
Zivilkompetenz/ SelbstverwaltungTF 8: weiteres soziales UmfeldAufbau und Verwaltung eines Ablagesystems für private Akten („Lebensordner“)
Welche Dokumente bekommt man wo? Vertraut machen mit Einrichtungen und Experten in der Region und passgenaue Stadterkundungen, Fachleute als „Gäste im Unterricht“
Strategie und Taktik im Umgang mit Behörden und Institutionen erarbeiten und erproben
Musterbriefe auf die eigene Situation adaptieren lernen
sich einen kompetenten Co-Manager beschaffen lernen
„offizielle“ Korrespondenz (Briefe von Behörden und Institutionen) fristgerecht bearbeiten lernen (ggf. mit Hilfe einer Vertrauensperson)
Dolmetscher bei Behördengängen einbeziehen
Anlaufstelle für Rechtsfragen installieren (z.B. durch außerschulische Experten wie Rechtsanwälte, Beratungsstellen, Migrationsdienst, Asylcafés)
Gepflogenheiten im Zielland kennen lernen
Zurechtfinden im Konsumangebot
Qualitätsmerkmale von Produkten, Produkt- und Preisvergleiche durchführen
Priorisierung von Anschaffungswünschen vor dem Hintergrund des persönlichen Budgets

Im Bildungsplan „Schule für Erziehungshilfe“ (2010) finden sich in den Bildungsbereichen einige Kompetenzen, die den in den Tabellen aufgeführten Themen entsprechen. Ebenso werden im Bildungsplan 2021 (Förderschwerpunkte Geistige Entwicklung und Lernen) Lebensfelder ausgewiesen, in denen entsprechende Kompetenzen aufgenommen sind. Da Bildungspläne eine verbindliche Grundlage für den Unterricht an Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren sind, können die von G.G. Hiller und W. Bleher beschriebenen Inhalte im Rahmen der individuellen Lern- und Entwicklungsbegleitung ergänzend Orientierung für die Ausweisung von Bildungs- und Erziehungsangeboten bieten. Gelegentlich ist dabei ein fallspezifisches Abwägen erforderlich: Geht es eher um die Auswahl von Inhalten, die tendenziell auf das Erreichen eines Abschlusses hin ausgelegt sind oder um das konsequente Verfolgen von eher lebensweltorientierten Kompetenzen.?

Eine diesbezügliche „Entweder-Oder“ Diskussion ist sicherlich nicht sinnvoll, gleichwohl ist das beschriebene Spannungsfeld als stetige pädagogische Herausforderung zu sehen.


Literatur

Bleher, W. (2017): Förderung von Alltagskompetenzen bei Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrungen – Eine Ideensammlung. In: Bleher, W./ Gingelmaier, S. (Hrsg.): Kinder und Jugendliche nach der Flucht: Notwendige Bildungs- und Bewältigungsangebote. Weinheim. Beltz Verlag. S. 141-170.

Hiller, G.G. (1997), Ausbruch aus dem Bildungskeller, Pädagogische Provokation. Langenau-Ulm Armin Vass Verlag

Hiller, G.G. (2007), Aufriss einer kultursoziologisch fundierten zielgruppenspezifischen Didaktik, in: Heimlich U., Wember F. (Hrsg.): Didaktik des Unterrichts im Förderschwerpunkt Lernen. Ein Handbuch für Studium und Praxis. Stuttgart. Kohlhammer. S.44 -55

Westphal, E. (1990). Unterricht und Leben. Zur Theorie und Praxis lebensproblemzentrierter Unterrichtsgestaltung. Oldenburg: Univ. Oldenburg.


Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg

wsd/didaktisierung/lebensweltbezug.txt · Zuletzt geändert: 2024/03/21 15:54 von Romina Rauner