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Prävention von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten im nach Mayer

Zitiervorschlag: Waidmann, A. Rauner, R. & Stecher, M. (2020). „Prävention von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten nach Mayer“ Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:didaktisierung:mayer, CC BY-SA 4.0

Mayer beschreibt in „Gezielte Förderung bei Lese- und Rechtschreibstörungen“ eine mögliche Prävention von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten durch:

  • die Förderung der phonologischen Basisfähigkeiten
  • die Förderung beim Erwerb der alphabetischen Strategie


1. Förderung der phonologischen Basisfähigkeiten

Die Förderung der phonologischen Bewusstheit darf nach Mayer keinesfalls als Allheilmittel gesehen werden, sondern stellt lediglich eine Säule im Rahmen einer umfassenderen Form der Prävention und Intervention im Hinblick auf Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb dar (Mayer 2013, S.76). Mayer benennt folgende Qualitätskriterien zu Förderung der phonologischen Bewusstheit (Mayer 2013, S.77):

  • Einsatz von Handzeichen
  • Bedeutung des Modellierens und der Demonstration
  • Systematisches, explizites Training der Phonemanalyse und der Phonemsynthese
  • Fokussierung impliziter Fähigkeiten im Vorschulalter
  • Linguistisch orientierte Wortauswahl
  • Integration von Übungen auf Onset- und Reim-Ebene
  • Berücksichtigung der phonologischen Verknüpfungshypothese

Es sind nach Mayer besonders die Teilbereiche der phonologischen Bewusstheit zu fördern, die in engem Zusammenhang mit dem Erwerb der alphabetischen Strategie stehen. Die Förderung der phonologischen Bewusstheit stellt damit keinen Selbstzweck dar, sondern muss immer auf die schriftsprachlichen Kompetenzen der Kinder ausgerichtet sein (Mayer 2013, S. 78).

Die Aussagen Mayers machen deutlich, dass die Förderung der phonologischen Bewusstheit aufgrund der Notwendigkeit der Ausrichtung an den schriftsprachlichen Kompetenzen der Kinder nicht mittels des Gießkannenprinzips mit allen Kindern einer Klasse durchgeführt werden sollte, sondern dass die Zielgruppe die Kinder sind, die Schwierigkeiten beim Erwerb der Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln, der Lautanalyse, dem Erlernen des phonologischen Rekodierens und dem lautgetreuen Schreiben haben.

Im Hinblick auf die Intensität der Förderung schlägt Mayer vor, vier 20 bis 30 Minuten dauernde Einheiten pro Woche zu planen (Mayer 2013, S. 78).

Die Förderung baut sich folgendermaßen auf:

  • Beginn mit Reimaufgaben und Aufgaben zu Silben
  • Wörter in Silben segmentieren und Einzelsilben zu Wörtern synthetisieren
  • Phonemsynthese und Phonemanalyse
  • Anbahnung der Phonembewusstheit:
    • Phonemidentifizierung (z.B. Laut- zu Wort- Aufgabe; „Hörst du ein [o:] in Ofen?“)
    • Anlautkategorisierung- und –identifizierung (Wörter nach Anfangslauten sortieren und benennen; Komplexitätsgrad: Vokale > dehnbare Konsonanten > Plosive > Konsonantenhäufungen)
    • Phonemsynthese: Einzelne isoliert präsentierte Laute koartikulatorisch zu verbinden (phonologisches Rekodieren).
    • Unterstützung durch Bildmaterial hilfreich, dann später ohne zusätzliche Unterstützung.
    • Phonemsegmention: Förderung der Phonemanalyse (z.B. durch „Robotersprache“, gedehnte Sprechweise, …)
    • Einsatz von Handzeichen: Wichtige Hilfestellung für das Identifizieren, Synthetisieren und die Segmentation.

2. Förderung beim Erwerb der Phonem-Graphem-Korrespondenzen (PGK)

Bei der Förderung zum Erwerb der Phonem-Graphem-Korrespondenz geht Mayer in Anlehnung an Glück von der Hypothese aus, dass den Schwierigkeiten von Kindern beim Erlernen der PGK kein visuelles, sondern ein Problem mit dem automatisierten Zugriff auf phonologische Repräsentationen im phonologischen Inputlexikon zugrunde liegt. (Glück 2000, zitiert nach Mayer 2013, S. 86). Aus Mayers Sicht spielt die Anlauttabelle eine wichtige Rolle beim Erwerb der PGK (Mayer 2013, S.87). Damit den Schülern dies gelingen kann, müssen im Unterricht folgende Ziele erreicht werden:

  • Der Wortschatz der Anlauttabelle ist im mentalen Lexikon abgespeichert und kann automatisiert abgerufen werden.
  • Die Kinder lassen sich auf die Lautstruktur der Anlautwörter ein, artikulieren sie langsam und gedehnt und sprechen schließlich nur noch den Anlaut

Neben der Arbeit mit der Anlauttabelle ist es notwendig, die PGK im Rahmen einer systematischen Buchstabenanalyse zu erarbeiten (Mayer 2013, S. 90):

  • Unbewusste Produktion des isolierten Lautes: Die Kinder sollen den Ziellaut möglichst hochfrequent unbewusst produzieren (z. B. im Rahmen einer Geschichte)
  • Taktil-kinästhetische Analyse (Artikulationsstelle und -vorgang)
  • Optische Analyse des großen und kleinen Buchstabens
  • Einführung des Handzeichens
  • Optische Analyse
  • Akustische Analyse (Lautlokalisierung initial, medial, final)

Die graphomotorische Erarbeitung und das Lesen von Wörtern mit den neuen Buchstaben können die systematische Buchstabenanalyse abschließen.


3. Förderung beim Erlernen des phonologischen Rekodierens

Die indirekte Lesestrategie ermöglicht es Kindern, auch nicht bekannte Wörtern korrekt zu erlesen und trägt somit maßgeblich zur Entwicklung selbstständigen Lesens bei (Mayer 2013, S. 96). Nur durch wiederholte phonologische Rekodierung können sich die für die automatisierte Worterkennung notwendigen mentalen Repräsentationen ausbilden, daher ist die Nutzung des indirekten Lesewegs für eine Automatisierung des Leseprozesses unerlässlich.

Für den Unterricht bedeutet das, dass die Förderung der Lesetechnik parallel zu Förderung der phonologischen Bewusstheit verläuft. Auch der bereits beschriebene Einsatz der Lautgebärde spielt hier eine wichtige Rolle.

Des Weiteren sollte bei der Förderung der Lesetechnik beachtet werden, dass zunächst mit Vokalen und dauerhaft artikulierbaren Konsonanten (Frikative, Nasale) gearbeitet wird, da den Kindern die Synthese durch die Möglichkeit des gedehnten Sprechens leichter fällt als bei Plosiven. Um die indirekte Lesestrategie explizit und systematisch zu vermitteln, sollte die Kinder das phonologische Rekodieren an einer begrenzten Auswahl von Wörtern mit hoher Intensität üben (die automatisierte Worterkennung kann dadurch bereits angebahnt werden).

Für das Erlernen der indirekten Lesestrategie ist beispielsweise das Arbeitsmaterial des Kieler Leseaufbaus (Dummer-Smoch/Hackethal 2002) eine Unterstützung.


4. Förderung der automatisierten Worterkennung

Aus Sicht von Mayer besteht die Notwendigkeit, phonologisch orientierte Förderung durch Maßnahmen zu ergänzen, die automatisierte Leseprozesse in den Mittelpunkt stellen, da es nach seinem Dafürhalten nicht ausreicht, darauf zu vertrauen, dass Kindern eine automatisierte Worterkennung ohne spezifische Unterstützung auf der Basis des phonologischen Rekodierens gelingt (Mayer 2013, S. 105).

Die Förderung der automatisierten Worterkennung geht von der folgenden Grundannahme aus: je häufiger ein Wort phonologisch rekodiert wird, desto besser sind die orthographischen Repräsentationen, die ein direktes Erkennen ermöglichen. „Wiederholtes Lesen mit einer wiederholten Aktivierung der entsprechenden Wortform verbessert die Abrufqualität.“ (Glück 2000)

Daher liegt der Schwerpunkt der Förderung des direkten Lesewegs zunächst auf der isolierten Worterkennung (auch motivationaler Aspekt für leseschwache Kinder). Es geht hier also NICHT um ein „unsystematisches Viellesen“, sondern darum, gezielt ausgewählte Wörter hochfrequent phonologisch zu verarbeiten, um orthographische Repräsentationen auszubilden:

  • Ausbau des Sichtwortschatzes
    • Kennenlernen des Trainingswortschatzes
    • Übungen zur Rekodierung, Phonemanalyse- und synthese (z. B. Silben sammeln, Wörterpuzzle, …)
    • Hochfrequente Konfrontation mit dem Zielwortschatz (z. B. Wöter schnappen oder abklatschen, …)
  • Förderung auf sublexikalischer Ebene
    • Arbeit mit sinnfreien Graphemfolgen
  • Fokussierung der direkten Erkennung auf häufig vorkommende Graphemfolgen („Signalgruppen“)
    • Ganzheitliche Verarbeitung von Signalgruppen (Bsp.: <ock>)
    • Signalgruppen zunächst optisch hervorheben und nach Gruppen sortieren. Im nächsten Schritt zunehmend Unterstützung reduzieren (Erster Teil der Fördereinheit).

5. Förderung des Leseverständnisses

Selbstverständlich stellt die Umwandlung visuell schriftsprachlicher Zeichen in Lautsprache, also die Worterkennung, eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für das Leseverständnis dar (Mayer 2013, S. 116). Um das Leseverständnis von Schüler:innen zu fördern muss damit die Erweiterung des Wortschatzes und die Verbesserung der Verarbeitung grammatikalischer Strukturen in den Mittelpunkt rücken.

Im Hinblick auf die Förderung semantisch-lexikalischer Fähigkeiten werden folgende Ziele verfolgt (Mayer 2013, S. 118):

  • Erweiterung des Wortschatzes
  • Ausdifferenzierung des semantischen Wissens
  • Verknüpfung der neuen Wörter mit bereits vorhandenen Einträgen im mentalen Lexikon
  • Akustische Durchgliederung der Wortform
  • Hochfrequente Nutzung der neuen Wörter

Im Rahmen der Förderung des Verständnisses für grammatikalische Strukturen stehen die Strukturen im Vordergrund, deren Verständnis für Kinder häufig schwierig sind, z. B.

  • Passivkonstruktionen
  • Vor- und Nachzeitigkeit
  • Verständnis für Pronomen
  • Kasusmorphologie
  • Vergangenheitsformen

Um solche Strukturen verstehen zu können, können beispielsweise Bildsuchaufgaben gestellt werden oder auch Sätze ausagiert werden.


6. Förderung des orthographisch korrekten Schreibens

Die Förderung der orthographisch korrekten Schreibens umfasst nach Mayer die sukzessive Behandlung der wichtigsten Rechtschreibregeln (Mayer 2013, S. 127). Zu diesen gehören:

  • Ich höre am Wortende ein [α] und schreibe <er>
  • Ich höre [δp] oder [δt] und schreibe <sp> bzw. <st>
  • Ich höre [i:] und schreibe <ie>
  • Ich schreibe <ä> bzw <äu>, wenn ich ein verwandtes Wort mit <a> oder <au> finde.
  • Nach einem kurzen Vokal folgen zwei Konsonanten, höre ich nur einen Konsonanten, wird dieser verdoppelt
  • Ich höre [p], [t] oder [k] am Wortende. Die tatsächliche Schreibweise ermittle ich durch Verlängerung des Wortes.

Für eine solche Herangehensweise ist es unerlässlich, dass die Schüler:innen über die Begriffe Vokal (Selbstlaut) und Konsonant (Mitlaut) sicher verfügen. Es bietet sich an, diese von den Kindern mit unterschiedlichen Farben markieren zu lassen.

Die Unterscheidung von kurzen und langen Lauten sollte zunächst auf Laut- und Silbenebene eingeübt werden, bevor sie in Wörtern identifiziert werden sollen. Die Suche nach dem Wortstamm, nach verwandten Wörtern sowie das Verlängern von Wörtern muss explizit eingeübt werden.


Literatur

Mayer, A. (2013). Gezielte Förderung bei Lese- und Rechtschreibstörungen. Ernst Reinhardt Verlag: München Basel.


Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg

wsd/didaktisierung/mayer.txt · Zuletzt geändert: 2023/01/27 08:55 von Romina Rauner