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Systematischer Schriftspracherwerb von Anfang an nach Reber

Zitiervorschlag: Waidmann, A. Rauner, R. & Stecher, M. (2020). „Systematischer Schriftspracherwerb von Anfang an nach Reber“. Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:didaktisierung:reber, CC BY-SA 4.0

Das Konzept „Systematischer Schriftspracherwerb von Anfang an“ nach Reber setzt sich zum Ziel, den Unterricht sinnvoll und effektiv dahingehend zu nutzen, um die Entwicklung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten präventiv zu verhindern (Reber 2017, S.9). Voraussetzung für einen Ansatz wie diesen ist, die Fähigkeiten der einzelnen Schüler:innen genau zu beobachten, um rechtzeitig intervenieren zu können (Reber 2017, S.45).

Der Systematische Schriftspracherwerb nach Reber ist ein multimethodischer Ansatz, also ein methodenintegratives Konzept, das Elemente aus bereits bestehenden Konzepten wie dem Spracherfahrungsansatz oder dem fibelorientierten Ansatz integriert. Demzufolge werden auch bereits bekannte Medien wie z. B. die Anlauttabelle und die Fibel genutzt (Reber 2017, S.49)

Eine Methodenvielfalt ist notwendig, da während des Schriftspracherwerbs unterschiedliche Grundfähigkeiten des Lesens und Schreibens erlernt werden sollen (siehe Vierfeldermodell: Lese- und Schreibtechnik, kommunikatives Lesen und Schreiben) und diese Grundfähigkeiten auch durch unterschiedliche Methoden im Unterricht gefördert werden müssen (Reber 2017, S.49).

Studien zeigen weiterhin , dass Schüler:innen mit Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb von einem Unterricht profitieren, der nicht völlig geöffnet wird, sondern auch strukturierende Angebote, wie z. B. den Fibel- und Rechtschreiblehrgang, bietet (Reber 2017, S.49).

Der Ansatz nach Reber setzt folglich eine „strukturierte Offenheit“ um, indem sowohl der „technische“ Aspekt des Lesens und Schreibens (Lese- und Schreibtechnik) sowie der Verwendungsbezug des Lesens und Schreibens (Lese- und Schreibverwendung) thematisiert werden (Reber 2017, S. 118):

  • Im Bereich automatisiertes Lesen grundlegende Lesetechniken erlernen, v.a. die Regelhaftigkeiten Phonem-Graphem-Korrespondenzen und die Technik der Synthese
  • Im Bereich sinnerfassendes Lesen von Anfang an mit Hilfe der Anlautschrift kleine Sätze und Geschichten lesen
  • Im Bereich richtig Schreiben von Anfang an richtig schreiben, d.h. durch gewählte Schreibanlässe, systematischen Rechtschreibunterricht
  • Im Bereich kommunikatives Schreiben von Anfang an mit Hilfe der Anlauttabelle

Von besonderer Bedeutung in der Umsetzung des Konzepts sind nach Reber die Sprachförderung als übergreifendes Unterrichtsprinzip (Durchleuchten aller Unterrichtsbereiche auf Möglichkeiten zur Sprachförderung und Ausrichtung der Unterrichtsplanung auf die Umsetzung dieser) sowie die Aufmerksamkeitsförderung im Unterricht (klare Regeln und Grenzen; Lob und positive Rückmeldung; Rhythmisierung; Strukturierung; Ritualisierung) (Reber 2007, S. 56).


Didaktische Umsetzung in Klasse 1

Für die didaktische Umsetzung des Konzeptes im Anfangsunterricht bedeutet dies konkret, dass das Training der phonologischen Bewusstheit und weitere Sprachfördermaßnahmen unterrichtsimmanent und im Sinne einer strukturierten Offenheit folgendermaßen umgesetzt werden (Reber 2017, Kapitel 4):

  • Kombination von Fibel und Anlauttabelle
    • In die Anlauttabelle wird schrittweise eingeführt, parallel dazu wird mit dem Buchstabenlehrgang begonnen, welcher von Anfang an durch kleine Leseprojekte ergänzt wird.
    • Während des gesamten Schuljahres finden darüber hinaus Leseübungen zur Automatisierung der Phonem-Graphem-Korrespondenzen und der Synthese statt. Dazu werden selbst erstellte Leseblätter, aber auch vorgefertigte Materialien verwendet.
    • Synergieeffekte zwischen Fibel und Anlauttabelle lassen sich dadurch erzeugen, dass für Übungen zur phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinne (Reimpaare erkennen, reimen, Silben segmentieren und verbinden) und engeren Sinne (Phoneme im Wort erkennen, Phoneme segmentieren und verbinden, Laute vergleichen, An- und Endlaute identifizieren, Lautpositionen erkennen) die Wörter der Anlauttabelle verwendet werden.
    • Fibel: Für die Auswahl einer Fibel ist kriteriengeleitet auszuwählen (siehe Kriterienkatalog Lehrwerksanalyse).Die Buchstabeneinführung sollte eine Lautanbahnung über auditive Übungen zum Erkennen, mundmotorische Übungen, Anbahnung und Stabilisierung der Lautebene, Einbau in die Spontanspreche auf Wort- und Satzebene ermöglichen. Im Anschluss an diese Lautanbahnung werden die Buchstaben unter optischen, akustischen (auditive Diskrimination), taktil-kinästhetischen und graphomotorischen Gesichtspunkten eingeführt.
    • Anlauttabelle: Die Anlauttabelle bietet für Kinder nach dem Erwerb des alphabetischen Prinzips eine gute Möglichkeit der eigenständigen Schreibproduktion. Auch hier ist eine kriteriengeleitete Auswahl (siehe Kriterienkatalog Lehrwerksanalyse) unerlässlich. Zu Beginn der Arbeit mit der Anlauttabelle müssen selbstverständlich die Begriffe der Tabelle über z. B. Benennspiele und umschreibende Rätsel geklärt werden. Dann erst kann es zur Herstellung der Phonem-Graphem-Zuordnung (Buchstaben auf der Anlauttabelle wiederfinden, …) kommen.
  • Die Anlautschrift:
    • Die Möglichkeit, die Bilder der Anlauttabelle zum Lesen von Anfang an zu verwenden, wird bislang kaum genutzt und ist damit eine Besonderheit des vorliegenden Ansatzes.
    • Vor allem bei Schüler:innen mit Schwierigkeiten im Lesen treten hier Synergieeffekte auf: Auch sie können mit Hilfe der Anlautschrift bereits von Anfang an kleine Bücher lesen.
  • Das Handzeichensystem:
    • Die Nutzung eines Handzeichensystems entlastet die phonologische Schleife der Schüler:innen und bietet visuelle Gliederungshilfen.
    • Es sind unterschiedliche Handzeichen-Systeme verfügbar, welche sich an Graphem- oder Phonemformen orientieren.
    • Sinnvoll für Schüler:innen mit Schwierigkeiten im Bereich Phonetik/Phonologie sind Handzeichen, die die Artikulation des Lautes Bewusstmachen (Füssenich/Löffler 2008).
    • Die Handzeichen werden im Rahmen der Einführung des jeweiligen Buchstabens von den Schüler:innen erlernt und bereits hier zur Visualisierung der Lautbildung genutzt. Schwer zu diskriminierende Laute können somit unterstützend visualisiert werden.
  • Selbst erstellte, individuelle Medien:
    • Reber stellt hier das Computerprogramm „zabulo“ vor, welches die Möglichkeit bietet, individuelle Arbeitsblätter entsprechend den sprachlichen und schriftsprachlichen Lernvoraussetzungen der Schüler:innen zu gestalten
    • Das Programm „zabulo“ beinhaltet eine Material-, eine Spiel-, eine Computerspiel- und eine Screening-Werkstatt mit Screening-Layouts zur Überprüfung des Wortschatzes, des Rechtschreibens, des Sprach- und Leseverständnisses

Didaktische Umsetzung in Klasse 2-4

In den Klassen 2-4 verlagert sich der Schwerpunkt vom reinen Erwerb der Lese- und Schreibtechnik hin zur Lese- und Schreibverwendung – sinnerfassendes Lesen und kommunikatives Schreiben gewinnen zunehmend an Bedeutung (Reber 2017, S. 163).

Zentral ist im Anschluss an Klasse 1 die Frage, wie den Schüler:innen der Übergang von der alphabetischen in die orthographische Stufe des Schriftspracherwerbs gelingt, weshalb Reber einen besonderen Fokus auf den Rechtschreibunterricht legt.

Rechtschreibunterricht sollte unter Berücksichtigung des mentalen Lexikons (zu jedem Wort wird im Lexem das phonologische sowie morphologische und im Lemma das semantische sowie syntaktische Wissen gespeichert) erfolgen.

Für die Praxis bedeutet das, dass zu einer Rechtschreibbesonderheit auch Übungen zu:

  • Bedeutung der Lernwörter (z.B. Umschreibungen finden)
  • Syntaktischer Rahmen (z.B. Satzteile oder Sätze ergänzen)
  • Morphologischen Zusammenhängen (z.B. Wortfamilien finden)

Folgende exemplarische Übungen eignen sich zur Sicherung eines Eintrages im Lexikon:

  • Übungen zur Phonologie (Reimwörter, Silbenbögen, etc…)
  • Übungen zur Morphologie (z.B. Wortfamilien aus Wortbausteinen puzzeln, Deklinations- und Konjugationsübungen, zusammengesetzte Wörter bilden)
  • Übungen zur Semantik (z.B. Bilderrätsel)
  • Übungen zur Syntax (z.B. Satzteile ordnen oder ergänzen)
  • Übungen zur Episodik (Verwenden der Wörter in eigenen Sätzen/Texten)
  • Übungen zum prozeduralen Wissen (Umgang mit Realgegenständen)
  • Übungen zur Graphemik

Mögliche Lernschritte im Rechtschreibunterricht sind dann:

  1. Das Wort deutlich lesen und mit dem Finger auf die bedeutsame Stelle zeigen, Silbenbögen malen (phonologische Sicherung)
  2. Merkstellen im Wort markieren und die kognitiven Zusätze (z.B. Wortbausteine einrahmen, bei verwandten Wörtern Ableitungspfeile verwenden) überlegen bzw. auch aufschreiben (orthographische Sicherung)
  3. Das Wort schreiben üben (Automatisierung)

Literatur:

Reber, K. (2017). Prävention von Lese- und Rechtschreibstörungen im Unterricht. Systematischer Schriftspracherwerb von Anfang an. Ernst Reinhardt Verlag: München Basel.


Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg

wsd/didaktisierung/reber.txt · Zuletzt geändert: 2023/02/14 09:03 von Romina Rauner