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wsd:didaktisierung:wortschatz

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Wortschatzförderung

Zitiervorschlag: Stecher, M., Rauner, R. (2023). „Wortschatzförderung“. Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:didaktisierung:wortschatz, CC BY-SA 4.0

Ein umfangreicher und differenzierter Wortschatz ist ein zentraler Einflussfaktor für die mündliche und schriftliche Kommunikation.

Da Wortschatzarbeit im Unterricht jedoch oft beiläufig verläuft (vgl. Gold & Nix et al (2010), soll im Folgenden aufgezeigt werden, wie eine gezielte Förderung des Wortschatzes didaktisch fundiert in den Unterricht integriert werden kann.

Motsch & Marks (2018) unterscheiden im Hinblick auf die Förderung des Wortschatzes zwischen zwei didaktischen Ansätzen:

Die Elaboration auf Lemma- und Lexem-Ebene verfolgt das Ziel, die Qualität der Einträge und deren Beziehungen zueinander im mentalen Lexikon zu verbessern.

Im Rahmen des Abruftrainings macht die Lehrperson Angebote zur Verbesserung von Abrufprozessen, um die Geschwindigkeit, Genauigkeit und Stabilität der Abrufprozesse zu verbessern, z. B. indem sie die Abrufhäufigkeit erhöht bzw. Abrufhilfen anbietet.

Wie dies im Unterricht umgesetzt werden kann, wird im folgenden Praxisbeispiel konkretisiert (Stecher & Rauner 2019):

Im Sachunterricht einer zweiten Klasse betrachten, untersuchen, zeichnen und beschreiben die Schüler:innen den Aufbau der Feuerbohnenpflanze und dokumentieren deren Wachstum und Entwicklung über einen bestimmten Zeitraum.

Die Lehrperson elaboriert den Wortschatz zum Thema „Feuerbohne“ auf Lemma- und Lexem-Ebene, indem:

  • sie eine Löchergeschichte zum Märchen „Hans und die Bohnenranke“ erzählt, dabei einen Fokus auf die Bestandteile der Pflanze legt und diese hochfrequent wiederholt
  • der neu erarbeitete Wortschatz nach Wortarten kategorisiert wird
  • die Schüler:innen ihre Fragen zum Thema festhalten
  • sie beim Einpflanzen der Bohne handlungsbegleitend spricht
  • die Schüler:innen anschließend in Partner:innenarbeit eine Pflanzanleitung für die eigene Bohnenpflanze schriftlich erstellen (Was ist wichtig beim Einpflanzen einer Bohne?)
  • die Schüler:innen nach dem Einpflanzen im Abschlusskreis von ihren Erfahrungen berichten (Habt ihr schon einmal etwas eingepflanzt? Wie hat sich die Erde angefühlt?)
  • sich die Klasse einigt, wann die Bohnen gegossen werden müssen
  • die Schüler:innen beschreiben, wie sich die Pflanze von Tag zu Tag verändert

Aus dem obigen Beispiel wird ersichtlich, dass durch eine konsequente Elaboration auf Lemma- und Lexem-Ebene sowie konsequentes Abruftraining Vernetzungen im mentalen Lexikon ermöglicht werden können. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass die Effektivität dieses Vorgehens bei Schüler:innen mit Schwierigkeiten im Bereich Wortschatz im Vergleich zu einer altersgemäßen lexikalischen Entwicklung (eines „lexikalischen Staubsaugers“) eher gering ist:

Kinder verfügen bei einem Vorgehen, ausschließlich orientiert an Elaboration und Abruftraining, häufig „nur“ über „Wortschatzinseln“, eine Generalisierung auf ungeübte Wörter gelingt nicht (Motsch & Marks 2018).

Damit Wortschatzarbeit für Pädagog:innen nicht zur Sisyphusarbeit wird, ist deshalb ein ergänzender Ansatz unerlässlich, der den Schwerpunkt auf den Erwerb von Lernstrategien setzt, mit denen Kinder eigenaktiv ihr lexikalisches Wissen erweitern können (Motsch & Marks 2018).

Strategietraining mit Selbstmanagement („Wortschatzsammler“) ist gekennzeichnet durch die aktive Suche nach unbekannten Gegenständen, Eigenschaften und Tätigkeiten. „Nichtwissen“ wird dabei von der Lehrperson und den anderen am Bildungsprozess beteiligten Personen positiv besetzt und Fragen des Kindes werden als „Geschenke“ wahrgenommen.

Das damit verbundene Verhalten der Kinder wird als Selbstmanagement bezeichnet. Das Kind wird in seiner Kompetenz gestärkt, Bekanntes von Unbekanntem, Benennbares von nicht Benennbarem zu unterscheiden.

Der Unterschied zur Elaboration auf Lemma- und Lexem-Ebene und zum Abruftraining besteht folglich darin, dass die Kinder nicht Wörter, sondern Strategien erlernen mit dem Ziel, diese zur selbsttätigen Erweiterung des Lexikons zu nutzen.

Mit Hilfe dieser (Frage-)Strategien können Kinder genau den Teil des lexikalischen Wissens erfragen, der ihnen noch fehlt. Ist dem Kind die Funktion eines Gegenstandes zwar bekannt, sie:er kann das entsprechende Wort aber nicht benennen, so fragt sie:er nach der Wortform (z. B. „Wie heißt das?“, „Was ist das?“). Der Zaubertrick zielt auf eine verbesserte Abspeicherung der bislang unbekannten Wortform im mentalen Lexikon ab, z. B. indem die Silben des Wortes mehrmals geschwungen oder gehüpft werden.

Ist der:dem Schüler:in die Bedeutung von Gegenständen, Tätigkeiten oder Eigenschaften unbekannt, setzt sie:er Fragestrategien nach der Wortbedeutung ein (z. B. „Woher kenne ich das?“, „Wie sieht das aus?“, „Wer hat/macht so etwas?“).

Ist der:dem Schüler:in sowohl die Wortform als auch die Wortbedeutung bekannt, sie:er kann das Wort aber nicht aus dem Langzeitgedächtnis abrufen, wird sie:er ermutigt, so viele Informationen wie nötig zur entsprechenden Wortform zu erfragen, um einen Gegenstand, eine Tätigkeit oder Eigenschaft benennen zu können (z. B. „Wie fängt das Wort an?“).

Auf der in folgender Abbildung dargestellten Tipptafel (Stecher & Rauner 2021, nach Motsch & Marks 2018) werden die Strategien für die Schüler:innen visualisiert. Die Tipptafel kann entweder für alle Schüler:innen gut sichtbar im Klassenzimmer aufgehängt werden oder aber auch jeder:m Einzelnen als kleiner „Spickzettel“ zur Verfügung gestellt werden und einen festen Platz im Mäppchen bekommen (Ulrich 2018).


Download als PDF: Stecher, M. & Rauner, R. (2021). Tipptafel nach Motsch & Marks

Bezugnehmend auf das oben genannte Unterrichtsbeispiel zum Thema „Feuerbohne“ soll im Folgenden veranschaulicht werden, wie das Strategietraining mit der Tipptafel in den Unterricht integriert werden kann:

Ein:e Schüler:in wählt ein neu erarbeitetes Wort (Nomen, Verb oder Adjektiv) zur „Feuerbohne“ aus (vgl. folgende Abbildung):



Die Mitschüler:innen versuchen das entsprechende Wort mit den in der Tipptafel visualisierten Fragestrategien zu erfragen. Gesammelte Hinweise auf das jeweilige Wort werden (zur Entlastung des Kurzzeitgedächtnisses) an der entsprechenden Stelle neben der Tipptafel festgehalten. Die:Der Schüler:in, die:der das richtige Wort benannt hat, begründet anschließend, woran sie:er erkannt hat, dass es sich genau um dieses Wort handeln muss.

Stecher & Rauner (2019). Kategorisierung des neu erarbeiteten Wortschatzes zur „Feuerbohne“ nach Wortarten, Klasse 2 (Unterrichtsbeispiel)


Weiterführende Informationen

Literatur

Artelt, C. (2007). Förderung von Lesekompetenz – Expertise (http://www.bmbf.de/pub/bildungsreform_band_siebzehn.pdf) Gold, A. & Nix, D. et al (2010). Bedingungen des Textverstehens bei leseschwachen Zwölfjährigen mit und ohne Zuwanderungshintergrund. In: Didaktik Deutsch (28) 2010, S. 59-74

Motsch, H.-J. & Marks, D. et al (2018). Wortschatzsammler. Evidenzbasierte Strategietherapie lexikalischer Störungen im Kindesalter. 3., überarbeitete Auflage. München: Ernst Reinhardt Verlag

Stecher, M & Rauner, R. (2019). Unterrichtsqualität im Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation. Heidelberg: Median-Verlag

Ulrich, T. (2018). Der neue Blick, der neue Mut, das neue Know-How: Möglichkeiten der Umsetzung von Wortlernstrategien im Unterricht. In: Sprachförderung und Sprachtherapie in Schule und Praxis. Heft 3/2018. Dortmund: Verlag Modernes Lernen


Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg

wsd/didaktisierung/wortschatz.txt · Zuletzt geändert: 2023/07/21 09:55 von Romina Rauner